Sokrates Daimonion

Sokrates Daimonion - Streitpunkt seiner Verurteilung
Sokrates Daimonion – Streitpunkt seiner Verurteilung

Sokrates schätzte sein Daimonion sehr hoch und hörte, was es ihm zu sagen hat.

Diese Lebenseinstellung kostete Sokrates sein irdisches Leben. Sokrates wurde zu Tode durch den Schierlingsbecher verurteilt – weil er einen neuen Gott einführen und so die Jugend verderben würde.

Worum es Sokrates mit seinem Daimonion ging – ist selbst in der revolutionären griechischen Polis Athen eine Revolution. Die, wie Revolutionen es so an sich haben, so schnell wie möglich wieder vergessen wurde.

Das Daimonion des Sokrates wurde denn auch umgehend von Platon ins normal-sterbliche Klein-Format gebracht – der Mensch blieb sterblich.


Was meint Sokrates mit „Daimonion“

Ein Daimonion eines Menschen versteht Sokrates als eine göttliche Kraft – den Eros, die ihn über sich hinaus zieht – lockt – führt.

Eine sehr persönliche und doch klar gerichtete Kraft – über sich hinaus – zur Verwirklichung seines göttlichen Potentials.

Folgender Erklärung von Wikipedia stimme ich im wesentlichen zu:

„Das Daimonion wurde von Sokrates als eine innere Stimme von göttlichem Ursprung erklärt. Diese innere Stimme warnte ihn in entscheidenden Augenblicken und hielt ihn von der Ausführung einer gefährlichen Absicht ab. Er verstand es als eine Gegeninstanz zum Logos, die das erkennt, was der Vernunft verborgen bleibt, … Sein Daimonion schätzte Sokrates so hoch ein, dass er ihm auch gegen seine rationale Einsicht gehorchte. Da er es auch über die Götter stellte, wurde ihm vorgeworfen, es als einen neuen Gott einführen zu wollen.“

Um ein vorherbestimmtes Schicksal allerdings, wie dort dann weiter zum Daimonion von Sokrates zu lesen, geht es bei Sokrates – eben nicht. Das gerade nicht.

Sokrates wurde schon von seinem vertrautesten Schüler – Platon – missverstanden. Platon deutete das Streben des Sokrates zu sich selbst – als das Streben nach ewiger Wahrheit – er nannte es noch: Nach ewigen Ideen.

Wahrheit – so wie wir sie heute kennen – machte dann Aristoteles daraus. Und Aristoteles gilt noch heute als Autorität und Stammvater der Wissenschaften.

Furchtbar, was dem Sokrates da angetan wurde? Jein.

Vielleicht kam Sokrates zu früh mit seinem Daimonion. Die Kunst, mit seinem eigenen Daimonion ins Gespräch zu kommen, braucht die Lebendigkeit einer mythischen Welt und sie braucht die Methode der Wissenschaft.

Zu Sokrates Zeiten war ersteres gerade – für die nächsten 2500 Jahre – am Untergehen. Und zweiteres lag noch in den Windeln.

Sokrates nimmt den Schierlingsbecher
Sokrates nimmt den Schierlingsbecher

Sokrates Daimonion heute

Der bekannteste Satz des Sokrates lautet – und zwar ernst gemeint: 

Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Zusammengedacht mit dem Daimonion lässt sich: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ so lesen:

Das Daimonion eines Menschen – wir würden heute sagen – seine Seele, seine Psyche, das Bewusstsein samt Unbewusstes – kann dem Menschen nicht nur inspirieren, sondern auch lebensentscheidende Orientierung geben.

Was für ein Mensch ich werde – entscheidet das unbewusst wirkende Daimonion ebensowenig wie die Vernunft für sich.  Das Daimonion „weiß“ so wenig wie die Vernunft – nämlich nichts. Es ist alles andere als allmächtig.

Die Weisheit sowohl des eigenen Daimonion wie der Vernunft liegt allein in der Kunst, miteinander in einen vertrauensvollen Dialog zu kommen.

  • Die Vernunft hat den Überblick und Distanz und ist dadurch in der Lage, alles mit allem durch gezieltes und genaues Fragen zu verbinden.
  • Wenn sie sich auf die Antworten des Daimonion einlässt und sich von seinen Antworten zu weiteren Fragen führen lässt. Statt selbst nach Antworten zu suchen.
    Antworten mit handlungsorientierender Kraft kann die Vernunft nämlich nicht geben. Sie bleibt mit ihren Antworten auch wieder nur iin der Distanz. Das aber nützt einem Menschen, der mitten in einer Entscheidung steht, herzlich wenig. Er muss handeln können und zwar jetzt und zwar ihn betreffend.
  • Das Daimonion ist das unendlich verästelte und sich pausenlos erweiternde Netz aller Lebenserfahrung, die ein Mensch macht. Zu einem kleinen Teil – bewusst verarbeitete Beobachtung, zum großen Teil unbewusst abgespeicherte Empfindung und Gefühle. Ein hoffnungslos dunkles Labyrinth, in das mensch sich selbst eingesperrt hat – in der Regel. Es wird zu einer Quelle von wertvollen Antworten …
  • Wenn es sich von der Vernunft durch Fragen führen lässt. Denn Fragen stellen kann es nicht – es versteht die normale Sprache nur, soweit sie noch bildhaft ist.
    Zu allgemeinen Begriffen, die Bilder und Einsichten verschiedenster Herkunft durch Fragen miteinander in Verbindung setzen könnten, ist das Daimonion nicht in der Lage. Es arbeitet bildhaft.
  • Alles ist aufbewahrt und höchstens chaotisch geordnet. Und gegenwärtig. Eben deshalb so kraftvoll, überzeugend, eindringlich und unentrinnbar.

Ans Licht des Bewusstseins kommt ein Bild, Einsicht, Erinnerung des Daimonions mit seiner ganzen Kraft nur, wenn es aufgerufen oder aktiviert wird.

Normalerweise, wie wir heute wissen, werden Erinnerungsbilder durch Ähnlichkeit aktiviert. z.B. in einer Situation, die der abgespeicherten ähnlich zu sein scheint  – aus welchen zufälligen Verknüpfungen heraus auch immer. Spontan, ungerufen, oft Verwirrung auslösend.

Doch lässt sich das Daimonion – eben dies tat damals schon Sokrates – auch durch gezieltes, aufmerksames Fragen zum Reden bringen. Im Dialog wird es zum weisesten Ratgeber, den man sich nur wünschen kann. Und  zum persönlichsten.

Man muss natürlich, wie Sokrates, die Kunst des Fragens verstehen, um ins Gespräch mit seinem Daimonion zu kommen. Die Weisheit und Orientierungskraft seiner Antworten hängt ganz davon ab, dass die Fragen aufmerksam, immer am Faden des Gesprächs, aufrichtig und offen sind. Sodass Vertrauen entstehen kann.

Summa summarum: Ein glückliches selbstbestimmtes, ja das Leben überhaupt – beginnt mit aufmerksamen Fragen.


Weiterführende Links zum Daimonion des Sokrates:

  • Begriffsklärung Dämon, Daimon, Daimonion
    daimon.myzel.net/Daimon
  • Hegel zum Daimonion und der Verurteilung des Sokrates
    hegel-system.de/de/v33311223tod.htm
  • Die Diamond-Technik, ein Hilfsmittel, um  „sokratische“ Fragen zu finden
  • www.mythos-web.de/rezension-diamond-technik/
  • Das Unbewusste und der „freie Wille“
    www.mythos-web.de/die-freiheit-des-willens/

 

3 Kommentare

  1. Nur Esoterik ?
    Bezugnehmend auf den Abschlussatz dieses Artikels
    möchte Ich anmerken, das man unter „Esoterik“ den „inneren Kreis“,
    also „die innere Betrachtungsweise“, den „Blick nach Innen“
    versteht. – Auch wenn sich dieser Begriff wie vieles sehr
    verselbstständigt hat, wird sich wohl nie etwas daran ändern,
    dass mich kaum etwas handlungsfähiger macht, als „der Blick in
    mein Inneres“ …

    Möchte man dem Zeitgeist entsprechen, ist die Hinzunahme
    wissenschaftlicher Erkenntnis sicher von Vorteil,
    – als definitive Notwendigkeit hat sie sich meines Erachtens nach
    nie wirklich herausgestellt, – wiewohl sie natürlich die
    Kommunikation in dieser wissenschaftsgeprägten Zeit erleichtert. –

    Aber gerade die „Kommunikationsabhängigkeit“ möchte Ich in Frage
    stellen. –
    Wir leben in einer Zeit, in der Jeder mit Jedem über nahezu alles
    quasselt. –

    Es ist ja schön, dass wir unsere Scheu voreinander verlieren,
    aber was ausser heillosem Lärm und fehlender Innenschau bringt
    es uns eigentlich ein ?

    – fragt sich Adamon. –

    • Hallo Adamon;
      OK,

      Hallo Adamon;

      OK, einverstanden. Ich ändere den letzten Satz und schreibe: Wunschdenken statt Esoterik.

      Der Blick nach innen – so wie Sie Esoterik verstehen – ist natürlich wichtig – genauso wichtig wie der nach außen.

      Danke für den Hinweis

      Angel

      **************

      Spielen ist das ganze Geheimnis.

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