StartGriechische GötterDas Göttliche bei Sokrates und Platon

Das Göttliche bei Sokrates und Platon

Sokrates Skulptur in Athen
Sokrates Skulptur in Athen – im Hintergrund der griechische Gott Apollon

Wissenschaft und Götter – zu Zeiten von Sokrates und Platon stand die Menschen Europas an einem Scheideweg. Die Menschen dieser Zeit wussten es wohl auch, stelle ich mir so vor. Zumindest die Philosophen – allen voran Sokrates und Platon, sowie der noch jüngere Aristoteles, müssen es wohl gewusst haben. Sokrates galt in der griechischen Antike als Inbegriff von Weisheit, Integrität und Charakterstärke. Obwohl Sokrates selbst keine Schriften verfasste, galt und gilt er als der Inbegriff dessen, was Philosophie ausmacht. Fragendes Denken könnte man wohl sagen, fragen, statt sich mit Antworten zufrieden geben. 

Voraussichtliche Lesedauer: 10 Minuten

Die Denker Sokrates und Platon in Athen

Sokrates, Platon und Aristoteles
Sokrates, Platon und Aristoteles

Sokrates und Platon lebten beide zur Blütezeit der Polis Athen. Platon verstand sich selbst als begeisterter und treuer Meisterschüler von Sokrates. Wobei sich wohl alle Philosophen in Athen auf Sokrates beriefen. Jeder, wie man heute wohl besser verstehen kann als einst, verstand Sokrates in seinem (eigenen) Sinne. Will sagen: „Man hört doch immer nur, was man versteht“, sollte rund zwei Jahrtausende später Goethe klagend formulieren. 

Sokrates, der Säulenheilige der abendländischen Philosophie

Sokrates und Platon sowie Aristoteles, der Meisterschüler von Platon, galten bald und gelten noch heute als die Gründerväter der Philosophie. Doch gab es einen faszinierenden Unterschied zwischen den drei antiken Philosophen. Während Platon und sein Schüler Aristoteles ihre Philosophien in Schriftform verfassten und der Nachwelt hinterließen, ist uns vom viel gepriesenen, ja quasi heiligen Sokrates selbst nichts Schriftliches überliefert. Und das wird nicht so sehr an äußeren Umständen gelegen haben wie nicht vorhandenem Schreibmaterial oder Ähnlichem. Die Methode des Sokrates bestand nicht im Verfassen von Texten, sondern im fragenden, nach Einsichten suchenden Gespräch. Mäeutik nannte er seine Methode und sie verfolgte ein heiliges Ziel: Das Daimonion in seinem Gesprächspartnern zu erwecken, die eigene, innere Stimme. 

Platon hat das Denken des Abendlandes wesentlich geprägt

Die Einführung der Ideenlehre, für die Platon berühmt ist, wird häufig als die Trennlinie zwischen sokratischer und platonischer Philosophie gesehen. In den frühen Dialogen beschäftigt sich Platon vor allem, wie sein Lehrer Sokrates, mit ethischen Themen. Und meist ist auch Sokrates die fragende Person in Platons frühen Dialogen. Sokrates also fragt zum Beispiel, welche Eigenschaften eine bestimmte Tugend wie Gerechtigkeit oder Tapferkeit ausmachen oder durch welche Merkmale das Gute gekennzeichnet ist. Die so gewonnenen Definitionen bleiben aber unbefriedigend. Sie sind entweder zu eng oder zu allgemein gefasst.

Platon befasst sich dann in seinem mittleren Dialogen mit dem Wesen einer Tugend oder eines beliebigen Objekts, ohne sich auf die Suche nach Definitionsmerkmalen zu beschränken. Ein Mensch mag zwar als gerecht bezeichnet werden, jedoch ist er nicht an und für sich gerecht. Ein Gegenstand kann schön genannt werden, aber er ist niemals der Inbegriff des rein Schönen. Alle Dinge, denen aufgrund von Urteilen, die in Sinneserfahrungen gründen, eine bestimmte Eigenschaft – etwa „schön“ – zugeschrieben wird, haben in höherem oder geringerem Maß Anteil an deren an sich gedachtem Prinzip, an einer Idee (ἰδέα idéa), etwa dem „Schönen an sich“.

Platon, der Schüler von Sokrates und Begründer der abendländischen Philosophie
Platon, der Schüler von Sokrates und Begründer der abendländischen Philosophie

Platon in seiner Apologie über seinen Lehrer Sokrates

„Beim Weggehen aber sagte ich zu mir: ‚Verglichen mit diesem Menschen bin ich doch weiser. Wahrscheinlich weiß ja keiner von uns beiden etwas Rechtes; aber dieser glaubt, etwas zu wissen, obwohl er es nicht weiß; ich dagegen weiß zwar auch nichts, glaube aber auch nicht, etwas zu wissen. Um diesen kleinen Unterschied bin ich also offenbar weiser, dass ich eben das, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen glaube.‘ Von da ging ich zu einem anderen, den man für noch weiser hält als jenen. Dort bekam ich genau denselben Eindruck und machte mich auch bei diesem und dann noch bei vielen anderen unbeliebt. Daraufhin fuhr ich nun der Reihe nach fort und merkte dabei mit Betrübnis und Erschrecken, dass ich mir immer mehr Feinde machte. Dennoch schien es mir nötig, dem Götterspruch größtes Gewicht beizulegen. Darum musste ich zu all denen gehen, die etwas zu wissen schienen, um zu sehen, was das Orakel meine.“

Das Orakel von Delphi über Sokrates

Was es mit dem Orakel auf sich hat: Sokrates erzählte, so berichtet es Platon, dass ein Freund von ihm sich nach Delphi aufgemacht habe, um das Orakel selbst zu befragen, ob jemand weiser sei als Sokrates. Darauf habe sein Freund von der (gerade amtierenden, wie wir heute sagen würden) Pythia die Antwort bekommen, dies nicht der Fall sei. Das Orakel von Delphi aber galt in der Antike ca 1000 Jahre lang, als der Inbegriff von Weisheit selbst. Es war, so damals das Verständnis von einem Orakel, unbezweifelbar, also immer wahr. Ähnliches galt, dem Mythos nach, auch für Teiresias, dem blinden Seher. Allerdings waren die Antworten des Orakels oft Gleichnisse oder Rätsel. Es kam also alles darauf an, die Antwort des Orakels auf die richtige Weise zu verstehen. Was keineswegs immer der Fall war. Und so ging es nun auch dem weisen Sokrates. Als er von der Antwort des Orakels erfuhr, fiel er in Verwirrung.

Wie denn, so überliefert es Platon, sollte niemand weiser sein können als er selbst, wenn er doch klar wusste, dass er kein sicheres Wissen haben könne. Um den Sinn des Orakels von Delphi zu verstehen, habe er also alle weisen Männer nach deren Wissen befragt. Politiker und Dichter, Künstler und Handwerker. Dabei habe sich herausgestellt, dass er tatsächlich all die Weisen seiner Zeit übertreffe, denn er habe ihre Irrtümer aufdecken können.

Götter vor Sokrates und Platon

In Ägypten war es das Urwasser Nun, aus dem die weiteren Götter sich selbst erschufen. Atum der Schöpfergott Luft (Schu) und Feuer(Tefnut), Himmel (Nut) und Erde (Geb). Nut und Geb schließlich wurden die Eltern der bekannten ägyptischen Götter wie Osiris, Isis, Seth und Nephtys. In Griechenland war es das Chaos, aus dem die Nacht (Nyx) und die Finsternis (Erebos), die Erde (Gaia) und die Kraft der Anziehung (Eros) hervorgingen. Gaia befruchtete sich selbst, gebar den Himmel (Uranus) und mit ihm zusammen das erste Göttergeschlecht der Griechen – die Titanen.

Überall das grundlegend gleiche Muster: Mit übermächtigen chaotisch – unberechenbaren Kräften umzugehen, stellte schon für die Menschen der frühen Kulturen eine Mission impossible dar. Die Mythen in Ägypten wie auch in Griechenland erzählen uns von einem Kampf der alten Götter des Chaos gegen die jüngeren Götter der Ordnung. Doch war dies ein martialischer Kampf, bei dem die alten Götter oft nicht nur entmachtet, sondern weitgehend vernichtet oder entmannt wurden. Diese alten Götter sind uns nur schemenhaft überliefert. Anders ist es dann mit einem Sonnengott, einem Re bei den Ägyptern, Schamasch bei den Sumerern oder einem Helios bei den Griechen. Einen Sonnengott konnte man sehen, seinen Wandel durch Tag und Nacht, seinen Rhythmus studieren. Ihn konnte man anrufen, ansprechen, ihn preisen – oder auch sich unter einem Dach vor ihm verstecken.

Sokrates war seiner Zeit weit voraus, sein Erbe anzutreten, steht jedem Menschen auch heute noch frei. 
Sokrates war seiner Zeit weit voraus, sein Erbe anzutreten, steht jedem Menschen auch heute noch frei. ©Elena Schulze

Von Göttern zu Menschen – Sokrates

Der Schritt zur Geburt einer menschenzentrierten Weltsicht, eine Welt, die den Menschen statt die Götter in den Mittelpunkt des Geschehens stellte, war nicht mehr weit. In der Hoch-Zeit der Griechischen Antike – beginnend mit Sokrates – wurde er vollzogen. Hier wurden die Weichen gestellt. Als Möglichkeiten, den Menschen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu setzen, zeigten sich zwei entgegengesetzten Richtungen.

  • Die erste Möglichkeit – vertreten durch Sokrates – zielte in Richtung Göttlichkeit des Menschen.
  • Die zweite Möglichkeit – vertreten durch Platon – zielte in Richtung Eroberung der äußeren Welt durch Erkenntnis, Wissenschaft und religiöses Dogma.

Sokrates – mit seiner Mäeutik (Hebammenkunst)- zielte in Richtung Selbst-Schöpfung des Menschen durch beharrliches Fragen – gezogen von der göttlichen Kraft – dem Daimon – Eros – in ihm. Die Götter waren bei Sokrates also nicht abgesetzt. Doch war die entscheidende göttliche Kraft für Sokrates die göttliche Kraft Eros, die in jedem Menschen gärt und zieht – Verlangen, Sehnen, Streben, sich selbst zu verstehen und nach eigenem Willen zu erschaffen.

Sokrates folgend hätten die Menschen schon damals beginnen können, sich zu dem entwickeln, wozu sie von der Natur (die sie selbst natürlich immer noch sind) alle Anlagen in die Wiege gelegt bekommen haben: Zu selbstverantwortlichen unsterblichen Seelen – ähnlich dem Bild, das unter dem Titel „Götter“ schon längst ersonnen hatten. Die Geschichte ist anders gelaufen, wir sind erst einmal durch eine Zeit gegangen, in der die Welt geteilt erschien, von Grund auf – diesseits und jenseits, Leben und Tod, Frau und Mann, oben und unten, Gewinner und Verlierer. Die Dichotomien unseres Denkens, mit denen wir noch immer unser Leben zur Hölle ausarten kann. Nun, Sokrates war seiner Zeit weit voraus, sein Erbe anzutreten, steht jedem Menschen auch heute noch frei. 

Von Göttern zu Wissenschaft und Religion – Platon

Platon, der berühmteste Schüler von Sokrates, aber ist es, der Sokrates der Nachwelt bekannt machte. Platon, der Sokrates verehrte, verstand ihn auf seine Weise. Er deutete das Streben von Sokrates nach Selbst-Vollendung als das Streben nach der Schau von Ideen. Ideen im Sinne von göttlich gegebenen ewigen, schon perfekt ausgearbeiteten Ideen. Die Basis von Wissenschaft – und Religion – war gelegt. Diese göttlich autorisierte Wahrheit konnte man im weiteren nun zu erkennen streben – oder an sie glauben. Von sich selbst konnte, ja musste, man dabei absehen. Platon folgend beschrieben sich die Menschen fortan als vergleichsweise kleine, nach Wahrheit strebende Geschöpfe.

Xaver Brenner, ein zeitgenössischer deutscher Philosoph, bringt die Umdeutung von Sokrates durch Platon auf den Punkt. Ganz im Sinne der Ideenlehre von Platon wird Sokrates bei Platon zum Entdecker der Platonischen Ideen. Wen die Umdeutung der Philosophie von Sokrates genauer interessiert: Webseite von Xaver Brenner


Weiter geht´s hier: Sokrates Daimonion

Quellen:

Text: Ich weiß, dass ich nicht weiß / Platon, Apologie 21d–22a, Übersetzung nach Rudolf Rufener; Originaltext: […] οὖτος μὲν οἴεταί τι εἰδέναι οὐκ εἰδώς, ἐγὼ δέ, ὥσπερ οὖν οὐκ οἶδα, οὐδὲ οἴομαι.

Bilder: © Barbaros Kaya / flickr.com / https://www.youtube.com/watch?v=cmhN2ZrgKV8 / utaini von Deposit / Elena Schulze

3 Kommentare

  1. Demeter
    Spitzenmäßig!!!

    Verfasst von jana Stuber am Di, 12/7/2010 um 16:07.

    Diese Webseite hat zum größten Teil geholfen, jeddoch hätte ich trotzdem gern mehr Informationen der Demeter gehabt.Sonst waren die Informationen superspitzenmäßig!!!

    Guckt euch doch auch einmal die Informationen an!!!

    Vielen Dank!!!

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