StartGriechische GötterKairos - altgriechischer Gott der Zeit, des Wetters und des richtigen Augenblicks

Kairos – altgriechischer Gott der Zeit, des Wetters und des richtigen Augenblicks

Kairos - altgriechischer Gott der (flüchtigen) Zeit - das Wetter ändert sich in jedem Moment, immer und immer wieder.
Kairos – altgriechischer Gott der (flüchtigen) Zeit – das Wetter ändert sich in jedem Moment, immer und immer wieder.

Der Gott Kairos ist im Griechischen noch heute allgegenwärtig, insofern er der Namensgeber für Kairos – das Wetter wurde. Verehrt aber wurde dieser Gott zu Zeiten von Kronos oder Zeus so gut wie nicht. Erst zur Zeit des Hellenismus und dann des römischen Reiches gab es Kultorte, an denen Kairos ausdrücklich verehrt wurde – vor allem in Gegenden weitab der griechischen Inseln und Halbinseln.

Voraussichtliche Lesedauer: 7 Minuten

Kairos, der jüngste Sohn des Zeus?

Posidippos, Ion von Chios und Lysippos sind die heute bekannten Namen, welchen wir vielleicht zu verdanken haben, dass wir diesen Gott heute noch mit mehr als nur seinem Namen kennen. Sein Name – Καιρός – haben die Griechen bewahrt, Geschichten aber gibt es über diesen eigenwilligen Gott der Zeit keine. Und so gibt es auch keine Geschichten über seine Herkunft. Vater, Mutter, Geburtsort, Kindheit – Erfahrungen, Heldenreise – von all dem ist nichts über diesen Gott der Zeit überliefert. Posidippos beschreibt den Gott in einem Gedicht, das uns überliefert ist – dazu gleich mehr. Und einzig der Dichter Ion von Chios bezeichnet ihn als Sohn des Zeus, als jüngsten gar. Doch da diese Zuschreibung von keinem weiteren Dichter bestätigt wird, scheint es sich um eine Erfindung des Dichters zu handeln. Lysippos, der spätgriechische Bildhauer, schuf, als die Zeiten der altgriechischen Götter schon Vergangenheit waren, eine berühmte Skulptur des Gottes. So haben wir dank Lysippos neben dem Namen auch eine bildliche Vorstellung des Gottes.

Kopie der berühmten Skulptur von Lysippos. Die charakteristische Haarlocke des Gottes ist gut zu erkennen.
Kopie der berühmten Skulptur von Lysippos. Die charakteristische Haarlocke des Gottes ist gut zu erkennen.

Die Reichweite der antiken Kulturen

Ein antikes Steinrelief des altgriechischen Gottes befindet sich in Trogir im Kloster des Hl. Nikolaus und lässt sich dort besichtigen. Dass ein griechischer Gott weniger in seiner Heimat als an anderen Orten rund um das Mittelmeer verehrt wird, ist nur ein Beispiel von vielen weiteren antiken Göttern. Plausibilisieren lässt sich das am ehesten mit der expansiven Politik antiker Großkulturen. Das antike Griechenland war durchaus nicht so friedlich und genügsam, wie man meinen könnte, wenn man es heute vor allem als Wiege der Demokratie und Philosophie feiert. Weit ausgeprägter wurde der expansive Charakter der antiken Hochkulturen dann im römischen Reich. Es reichte in alle Himmelsrichtungen und auch weit in den Norden Europas. Die Dolomiten zum Beispiel mit ihren heute beliebten Wandertouren wie jener auf dem Alta via del Granito wurden schon vor dem Jahr 0 zu einer römischen Provinz. Als der römische Kaiser Augustus Jupiter, Juno und die anderen römischen Götter noch staatsoffiziell verehrte und verehren ließ, beherrschte Rom bereits den gesamten Mittelmeerraum.

Francesco Salviati  (1510–1563): L'Ange de la Justice
Francesco Salviati (1510–1563): L’Ange de la Justice_Haarlocke und nackter Hinterkopf des Gottes sind auf diesem Gemälde der Renaissance gut zu sehen, ebenso die Flügel an beiden Fußgelenken.

Die Gelegenheit beim Schopf packen

Kairos (καιρός) gilt als der altgriechische Gott der Zeit im Sinne von: des richtigen Augenblicks. Was damit gemeint ist, lässt sich an seiner Gestalt erkennen: Von seinem Kopf hängt dem Gott eine Haarlocke ins Gesicht, am Hinterkopf aber ist er kahl. Die Gelegenheit beim Schopf packen. Dieses Sprichwort hat seinen Ursprung vermutlich in der Haarlocke dieses Gottes oder in der nämlichen Haarlocke des ägyptischen Gottes der Zeit und des Mondes. Untersuchungen zu dieser Ähnlichkeit habe ich nicht gefunden. Dennoch könnte es ja sein, dass Kairos vom, viel älteren ägyptischen Gott der Zeit „Chons“ abstammt bzw. eine ähnliche Idee darstellt. Mit noch einem Gott hat Kairos Ähnlichkeiten: An beiden Fußgelenken sind Flügel befestigt. Das erinnert mich an den Gott Hermes, der auch ein Gott der Magie ist, für den die Flügelschuhe ein deutliches Erkennungsmerkmal sind. Die Flügel an den Füßen bzw. den Schuhen symbolisieren, bei Hermes verbürgt, dass diese beiden Götter sich schnell wie der Wind bewegen können. Und wenn der richtige Augenblick vorbei ist, greift man ins Leere. Sosehr er sich auch bemüht – in den Worten des Dichters Posidippos:

Das Gedicht von Posidippos

Der griechische Dichter, Posidippos aus dem 3. Jh. v. Chr., beschreibt den Gott so:

Woher kommt dein Schöpfer?
Aus Sikyon.
Wie heißt er?
Lysippos.
Wer bist du?
Ich bin Kairos, der alles bezwingt!
Warum läufst du auf Zehenspitzen?
Ich, der Kairos, laufe unablässig.
Warum hast du Flügel am Fuß?
Ich fliege wie der Wind.
Warum trägst du in deiner Hand ein spitzes Messer?
Um die Menschen daran zu erinnern, dass ich spitzer bin als ein Messer.
Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?
Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.
Warum bist du am Hinterkopf kahl?
Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin,
wird mich auch keiner von hinten erwischen,
so sehr er sich auch bemüht.
Und wozu schuf dich der Künstler?
Euch Wanderern zur Belehrung.

Kairos als altgriechischer Gott der Zeit und des Wetters

Πώς (θα) είναι ο καιρός σήμερα; So fragen Griechen heute einander nach dem Wetter. Wie wird heute das Wetter? O καιρός – das Wetter wandelt sich von Moment zu Moment. Das rückt diesen Gott der Zeit auch in die Nähe der Göttin des Zufalls – Tyche. Das ständig sich verändernde Wetter hat eben auch mit Zeit zu tun, aber einer deutlich anderen Vorstellung der Zeit als das Ticken einer Uhr. Man vergegenwärtige sich den Unterschied zu dem anderen, weit bekannteren Gott der Zeit: Kronos. Kronos ist der Gott der linearen, der quantitativen Zeit und musste sich seinerzeit mit Gewalt gegen seinen Vater Uranos durchsetzen. Für einen Gott wie Kairos, der auf eine ganz bestimmte Zeitqualität verweist, war zu Zeiten von Kronos die Zeit noch nicht reif. Oder aber: Es begann sich gerade ein Verständnis linearer Zeit durchzusetzen, das uns Heutigen wie selbstverständlich erscheint.

Quellen

4 Kommentare

  1. Mit Kairophobie ist die konkrete Angst davor gemeint, Entscheidungen zu treffen.

    Oh wow, interessant. Der Spur geh ich mal nach. Danke dir.

  2. Kairos ist heute lange nicht nur wegen dem Wetter allgegenwärtig. Unter biblischen Gesichtspunkten ist Kairos ein von Gott gegebener Zeitpunkt. Dieser Zeitpunkt stellt eine besondere Chance bzw. Gelegenheit dar, einen Auftrag zu erfüllen.

    Kairophobie

    Heute gibt es den medizinischen Fachbegriff Kairophobie. Mit Kairophobie ist die konkrete Angst davor gemeint, Entscheidungen zu treffen.

    Kairologie

    Es gibt auch den wissenschaftlichen Fachbegriff Kairologie. Die Kairologie beschäftigt sich sich mit der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. Als Beispiel lässt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für eine Marketing- bzw. Werbekampagne nennen.

    Philosophie

    In der Philosophie ist Kairos der entscheidende Augenblick selbst. Das Wort Philosophie leitet sich ab von altgriechisch φιλία philía = Liebe und σοφία sophía = Weisheit, wörtlich übersetzt = Liebe zur Weisheit.

    Kairos in der Antike und Kairos aktuell

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