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Was ist ein Mythos – Definition Mythos

Mythos Defintion und Geschichte, Mythos vom Heiligen Georg, dem Drachentöter
Mythos vom Heiligen Georg, dem Drachentöter

Was ist ein Mythos – im Unterschied zu Märchen, Sagen, Legenden oder zu Aberglauben? Sagen kann man auf jeden Fall: Es gibt nicht nur eine Definition Mythos, sondern mindestens mehrere. Auch Verschwörungstheorien werden mitunter als Verschwörungsmythen bezeichnet, sodass das Interesse an der Frage, was ein Mythos überhaupt ist, in den letzten Jahren gewachsen zu sein scheint.

Mythos, Märchen, Sage …

Mythen, Märchen, Sagen, Legenden und Aberglauben werden heutzutage oft in einem Atemzug erwähnt. Und der Tat haben Mythos, Märchen, Sagen, Legenden und Aberglauben eine Gemeinsamkeit: Sie erzählen Geschichten, in denen ein rätselhaftes oder zumindest besonders interessantes Geschehen in einem plausiblen anschaulichen Kontext beschrieben wird. In der Sage um die Rosstrappe zum Beispiel (einem eindrucksvoll vorspringendem Felsen über dem Bodetal im Harz) wird erzählt, wie ein Ritter in letzter Not sich mit einem gewaltigen Sprung über das Bodetal von seinen Verfolgern rettete. Durch diesen Sprung entstand die besondere Form, die dieser Felsen heute hat. 

Im Mythos von Herakles – dem größten Held der alten Griechen – wird das ganze Leben eines Menschen erzählt, dem es als einzigem aller Menschen gelungen war, in die Reihe der olympischen Götter aufgenommen zu werden.  Der Weg eines Menschen zu unsterblichem Leben – nach der Vorstellung der alten Griechen. Ein wichtiger Unterschied zwischen einem Mythos im Vergleich zu Märchen, Sagen, Legenden ist also die Größe und Tragweite der Geschichte. Aber es gibt noch mehr Unterschiede und vor allem die Frage: Was ist mit Geschichten von großer Tragweite gemeint? 

Worin unterscheidet sich ein Mythos von Märchen und Sagen?

  • Ein Mythos bringt existentielle Fragen auf den Punkt und versucht, Antworten auf diese Art von Fragen zu finden: Existentiell meint: Das Leben, auch das Leben-können eines Menschen, in seinem Grund betreffend. Schöpfung – also die Entstehung des Lebens überhaupt ist denn auch eines der zentralen Themen des Mythos. Ein anderes: Leben und Tod. Liebe und Hass. Freiheit und Bindung, Mann und Frau, Menschen und Götter. 
  • Sagen und Legenden erklären oder deuten Landschaft oder auch die Kultur einer bestimmten Region, einer Gegend, eines bestimmten Volkes, einer bestimmten Moral oder eines bestimmten rätselhaften Ereignisses. Sind viele Sagen (z.B. einzelne Heldentaten des Herakles) zu einer großen zusammenhängenden Geschichte verwoben, können sie auch Bestandteile eines Mythos sein. 
  • Märchen sind erst viel später als Mythen und Sagen entstanden, aber sie nehmen meistens Motive dieser – viel älteren Mythen oder Sagen – auf. Im Unterschied zu einem Mythos geht es in einem Märchen nicht darum, Fragen von großer Tragweite zu stellen. Märchen erzählen den – oft denselben Stoff, z.B. Schneewittchen knüpft an den Mythos von Aphrodite an – so, dass eine klare Handlungsregel am Ende steht. Z.B. Vertraue keinem Fremden, mag er auch noch so freundlich sein. 

Mit Mythen erschaffen Menschen sich selbst

Mythos Definition bei Joseph Camphell
Mythos Definition bei Joseph Camphell

Mit Mythen haben sich Menschen ihre Kultur erschaffen. Schon die ersten Bilder, die Menschen an Höhlenwände malten, waren magischer Natur. Sie zeigten das Selbstverständnis des Menschen. Die ersten Wörter, die niedergeschrieben wurden, besangen die Götter und schufen den Wortmythos, der uns überliefert ist. Man kann vermutlich sogar sagen, dass die menschliche Kultur sich aus dem Mythos ausdifferenziert hat. Sagen hingegen und Legenden beziehen sich zumeist auf lokale Besonderheiten einer Landschaft oder einer Stadt. Zum Beispiel – die Sagen rund um den Brocken / Hexentanzplatz im Harz oder der Lorelei-Felsen am Rhein.

Eine Definition des Mythos von Karen Armstrong

Die renommierte britische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong beschreibt in ihren Büchern die Geschichte des Mythos von seinen Anfängen bis in die Gegenwart. Was ist ein Mythos? Die Frage stellt Karen Armstrong natürlich auch an ihre Leser. Und beantwortet sie mit folgender Definition:

Sokrates denkt über den Sinn des Lebens nach und läutet Ende des Mythos der griechischen Göttern ein.
Sokrates denkt über den Sinn des Lebens nach und läutet Ende des Mythos der griechischen Göttern ein.

„Ein Mythos beschreibt ein ganz besonderes Ereignis. Er berichtet in Form eines Kunstwerkes von etwas, das zu erzählen sich lohnt und verdichtet es zu einer Geschichte, die den Menschen berührt.“

Das wäre ein Hinweis mindestens auf die emotionale, bindende Kraft von Mythen. Menschen suchen Momente erhabener Gefühle bis hin zur Ekstase. Momente, in denen sie sich tief berührt und vorübergehend über sich selbst hinausgehoben fühlen. Ja, in Verzückung sollte ein Mythos Menschen bringen, selbst angesichts des Todes und der Verzweiflung, in die ihn die Aussicht auf Auslöschung stürzen mag. Leistet ein Mythos das nicht mehr, so hat er sich überlebt und stirbt. Diese Situation, das Ende des Mythos, stellen schon in der Antike die ersten großen Philosophen Europas, Sokrates, Platon und Aristoteles fest. Ihnen ging es nicht so sehr um die Götter, welche sich nicht um die Menschen scherten, sondern reflektierten den Sinn des Menschen selbst – unabhängig von Göttern.

Mythos – den Menschen über sich hinausheben

Die Aufgabe, Menschen über sich hinaus zu heben, kann ein Mythos, da er existentiell sein muss, um Mythos zu sein, nur erfüllen, wenn er sich mit der Existenz, und damit den Lebensumständen der Menschen verändert. Die Götter der Alten Ägypter, Griechen, Römer oder auch der christliche Gott mögen für uns interessant und auch lehrreich, vielleicht auch sympathisch sein. Sie sind nicht mehr unsere Götter. Sie haben für uns Heutige, für immer mehr Heutige zumindest, ihre erschütternde Kraft verloren. Seltsamerweise haben die Mythen dennoch ihr Geheimnis, dem Menschen Rätsel und Lösung zu sein, für uns bewahrt. 

Aber wie? Wodurch? Wie sind Mythen beschaffen, dass sie uns Heutige berühren, erschüttern, über uns hinauswachsen lassen? Kunstwerke sind sie. Gewiss. Erschaffen zumeist aus jahrtausenderlanger Weisheit der Völker und von Dichtern wie Homer und Hesiod in Griechenland dann aufgeschrieben. Von den meisten Mythen ist so etwas wie ein Verfasser zwar nicht bekannt. Doch waren es eben die Mythen – zu allen Zeiten, die Künstler aller Genre zu ihren größten Werken inspirierten. 

Wann wird ein Kunstwerk zum Mythos?

Sicher: Nicht jedes Kunstwerk ist ein Mythos. Zu einem Mythos wird ein Kunstwerk erst dann, wenn es nicht nur ein einmalig stattgefundenes Ereignis beschreibt, sondern ein Gleichnis für einen Vorgang ist, der sich in jedem Menschenleben abspielt: Archetypen wie der Held, der Weise, die Jungfrau und der Narr erscheinen auf der Bildfläche und erzählen uns mehr über Gott und die Welt und uns selbst als wir mit bloßem Auge sehen und mit unserem Verstand kategorisieren können. 

  • Parzival mit den Rittern der Tafelrunde, der Gralskönig und besonders der Ritter Parzival und seine Condwiramurs sind solch ein Mythos, in dem uns zentrale Archetypen begegnen. Wolfram von Eschenbach hat diesen Mythos in die Form eines Versromans gebracht. 
  • Tolkien – Einen vergleichsweise modernen Mythos, der alte europäische Mythen zu einem neuen Mythos vereint, könnten das Silmarillion sein. Dies war zumindest explizit der Anspruch von J.R.R. Tolkien, auch im berühmten „Herr der Ringe“.

Definition Mythos – Beispiel Theseus

Theseus und Kentaurus
Theseus und Kentaurus

So zum Beispiel der Mythos des griechischen Helden Theseus. Theseus hat sich die Aufgabe gestellt, den Minotaurus im Labyrinth von Kreta zu besiegen. Sodass nicht mehr – wie bisher jedes Jahr sieben athenische Jungfrauen und Jungmänner ihn zum Fraße ausgeliefert werden müssen. Ein höchst gefährliches Unterfangen – denn Theseus muss sich dafür in die labyrinthartige Höhle seines Feindes begeben, den Minotaurus finden und ihn besiegen – und wieder aus dem Labyrinth herauskommen. Wer ihm dabei hilft ist die Königstochter Ariadne – sie kennt gibt ihm eine Knäuel mit, durch das er den Weg aus dem Labyrinth findet. 

Der Mythos von Theseus beschreibt die Auseinandersetzung mit den eigenen, noch weitgehend unerkannten Trieben, der sich ein besonders ein junger Mensch unvermeidlich stellen muss. So er erwachsen werden und Verantwortung (Theseus wird König von Athen) übernehmen will, ist dies eine Prüfung. Worin das Gleichnis für den Menschen besteht, sagt der Mythos meist nur zwischen den Zeilen – und eben darin liegt seine Wirksamkeit und orientierende Kraft für die Menschen. Der Grund, ihn weiter und weiter und immer wieder auf´s Neue zu erzählen: Das eigene Leben in einem größeren Muster zu sehen, verstehen und sich an diesem Muster (statt z.B. an tagtäglichen Sorgen) zu orientieren. Außer dem Mythos von Theseus, Ariadne und Minotaurus haben die alten Griechen noch viele weitere Mythen von großen Helden erzählt:

  • Herakles – der starke Held der Griechen, der dank seiner unbändigen Kraft und mit Hilfe der Götter Hermes und Athene, sogar schafft, lebendig aus der Unterwelt zurückzukommen.
  • Odysseus, der kluge Held der Griechen, der mit List, Tücke und Verstand und ebenfalls mit der Hilfe von Athene schafft, sein Schiff durch tosende Fluten bis zur heimatlichen Insel zu führen – auch wenn er dafür 10 Jahre braucht, alle seine Gefährten und zuletzt auch sein Schiff und schließlich sogar sein Floß im tobenden Meer verliert.

Quellenangaben:

  • Karen Armstrong: Eine kurze Geschichte des Mythos. Berlin-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-8270-0450-0
  • Joseph Campbell: Die Kraft der Mythen. Artemis & Winkler, 1994, ISBN 3-7608-1101-9
  • Joseph Campbell: Der Heros in tausend Gestalten. Insel, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-458-34256-7
  • Joseph Campbell: Die Mitte ist überall. Kösel, 1992, ISBN 3-466-34269-4

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11 Kommentare

  1. Theseus
    Ich bin bildender Künstler und habe mich in den letzten Wochen etwas intensiver mit dem Minotaurus-Mythos beschäftigt und zwei kleine Artikel dazu geschrieben (https://www.willi-buesing.de/willi-buesing-blog/). Daher möchte ich zur Figur des Theseus einige Worte verlieren. Es geht in diesem Mythos weit mehr als um die Auseinandersetzung mit den eigenen, noch unerkannten Trieben. Nicht zuletzt wird Theseus König nicht aufgrund seiner wachsenden Verantwortung, sondern wegen des billigend in Kauf genommenen Selbstmord seines Vaters. Dem hatte er nämlich „vergessen“ mitzuteilen, dass er noch lebt und seine Mission auf Kreta erfüllt hatte.
    Aus meiner Sicht ist das Ende der minoischen und die damit einhergehende Stärkung der helladischen Kultur der Kern des Mythos. Theseus ist gewissermaßen der „Erneuerer“, und damit auch Zerstörer einer alten Kultur. Ähnlich wie Odysseus entzaubert er die Welt.

  2. Frage zu: Was sind Mythen?

    Hallo, ein 5. Klässlers einer Grundschule Berlin( Thema in Geschichte war die Mythologie antiker Völker) hat auf die Frage ,,Was sind Mythen?,, in einem Test geantwortet == Mythen sind Geschichten der Menschen. Es geht dort um die Götter und den Glauben der Menschen == Wurde von der Lehrerin mit 1 statt mit 4 Punkten bewertet weil, er nicht geantwortet hat: Mythen sind Erzählungen früherer Völker! Nun frage ich mich was ist daran so falsch das es nur mit einem Punkt bewertet werden kann. Kann mir da jemand helfen?

    • Mythen sind …

      eigentlich ist seine Antwort sogar noch zutreffender als die "richtige", obwohl natürlich auch diese eine wichtigen Aspekt … Völker erzählen, erklären sich ihre Geschichte … enthält. Aber es geht in Mythen eben nicht nur um Völker, sondern auch, und das sogar in erster Linie, um die die großen existentiellen Fragen, die jeden Menschen betreffen. Was ist Leben, woher kommt es, was kann ein Mensch überhaupt ausrichten etc. 

      Nun – aber Lehrer machen es sich manchmal einfach und gehen nach Schema F vor. Und da es um das Fach Geschichte ging – passt dann eher dieser völkerkundliche Aspekt der Mythen. 

      Ich kenne ja die konkrete Situation nicht – aber vielleicht hilft es ja, den Lehrer / Lehrerin mal direkt darauf anzusprechen? 

    • Mythos kennt kein Gut und Böse

      Hallo GötterGast; 

      Im Mythos sind Gut und Böse noch unterschiedslos – das stimmt schon so. Bzw. ist ein deutlicher Unterschied zum Märchen.

      Ich würde aber nicht sagen, sie sind vereint – das würde voraussetzen, sie wären schon unterschieden.

      Die Menschen unterschieden damals noch nicht zwischen Gut und Böse – zumindest nicht deutlich oder gar eindeutig. Diese Gewohnheit, möglichst alles möglichst eindeutig zu bewerten, entwickelte sich erst mit der zweiwertige Logik – zu Zeiten der griechischen Antike – und vor allem dann mit dem Christentum.

      Beantwortet das deine Frage? Wenn dir noch was fehlt, frag bitte nochmal weiter, OK?

      Angel

  3. Frage
    Hallo,
    ich schreibe zur Zeit meine Seminararbeit und Ihre Seite hat mir dabei weitergeholfen. Ich würde gerne wissen, woher Sie das Wissen über den Begriff Mythos haben. Es wäre wirklich nett, wenn Sie mir das sagen könnten.

    • Bücherliste

      Hallo zurück; 

      Eine Liste mit Büchern, die ich zum Thema Mythos berücksichtigt habe, findest du hier. Das sind die Bücher, die ich in den vergangenen 5 Jahren – einige mehr, einige weniger – am Wickel hatte.

      Für besonders empfehlenswert halte ich die Bücher von Joseph Campbell. Das ist der Liste sicher auch zu entnehmen.

      Ansonsten verfolge und erforsche ja schon seit über 30 Jahren dasThema Götter. Die anhaltende Begeisterung für das Thema verdanke ich meiner Mutter, dann meiner Deutschlehrerin und schließlich meinem Prof / Doktorvater an der Humboldt-Uni.

      Wolfgang Heise hieß er, vielleicht hast du schon mal von ihm gehört. Er war ein Mensch – ähnlich vermutlich Joseph Campbell – der von allen, die ihn kannten, geliebt und verehrt wurde. Er war es, der mich ermutigt hat, an den Griechengöttern dranzubleiben und immer und immer weiter zu fragen.

      Campbell brachte diese Art zu forschen (und zu leben) auf die Formulierung: "Folgen Sie Ihrer Freude, und das Universum wird Türen für Sie öffnen, wo bisher nur Mauern waren." 

      Ich hoffe, das beantwortet deine Frage.
      Wenn noch nicht oder noch nicht ganz, dann frag einfach, OK?

      Angel

    • Hallo, ich schreibe im Moment
      Hallo, ich schreibe im Moment auch meine Seminararbeit. Nur mal so eine Frage: Was ist denn dein Thema, wenn du dich mit dem Mythos beschäfftigst?

      lg Julia

    • Odysseus und Perseus

      Tja – Gemeinsamkeiten und Unterschiede – wozu willst du das wissen? Für die Schule oder hast du eine persönliche Spur, die du gerade verfolgst? 

      Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu analysieren macht ja vor allem dann Sinn, wenn man weiß, wozu man das Ergebnis dann braucht.

      Ich zeig das gleich mal einem Beispiel: 

      Du willst ein Theaterstück schreiben – und beide Helden sollen darin auftauchen – OK.

      Dann macht es z.B. Sinn, nach Unterschiedenin Charakter, Intelligenz, Entscheidungsfähigkeit o.ä. dieser beiden Helden zu fragen.

      Willst du Comics von den scribbeln, wären eher typische äußere Merkmale interessant.  Und willst du eine Firma nach einem von beiden benennen, dann wären die Assoziationen, die Menschen heute mit den beiden verbinden für einen Vergleich interessant.

      Je nachdem – können wir uns das gern zusammen genauer angucken, was bei einem Vergleich zwischen diesen beiden Helden rauskommt.

      Angel

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