Ein oder gar der allmächtige Gott ist heute vielen Menschen ein rotes Tuch, ein gottverlassenes sinnloses Leben ist aber auch keine verlockende Alternative. Was tun? Zurück zu den alten Göttern? Neue Götter erfinden? Selbst zu Göttern werden?
Trauma göttlicher Allmacht
Die Zweifel an göttlicher Allmacht, Güte und Allwissenheit sind uns Heutigen gut vertraut und sie kamen nicht von ungefähr.
Menschen haben – erzählt schon in der Illias von Homer, traumatische Erfahrung mit Göttern. Je mächtiger und später dann allmächtig man sich Götter vorstellte, desto traumatischer.
Eine allmächtige Gottheit ist – logisch und auch so erfahren – mir als Mensch gegenĂĽber – ĂĽbermächtig. Denn wenn ein Gott alle Macht hat, habe ich, als Mensch, keine. Keine Macht haben bedeutet fĂĽr einen Menschen: ohnmächtig sein. Kann er nicht mal fliehen, wird aus Ohnmacht sogar: feindlicher WillkĂĽr ausgeliefert sein. Die Charakterisierung von Trauma.
Was können Menschen tun, um mit solch einem Trauma zu leben? Faktisch nämlich taten Menschen ja etwas.
Sie können versuchen, an göttlicher Allmacht teilzuhaben bis hin zu Allmachtsphantasien, wer kennt sie nicht. (Pharao, Priester, König) Hierarchie. Doch wer hoch steigt, kann tief fallen. Die Angst zu fallen, tief zu fallen, sitzt (fast?) jedem Mächtigen im Nacken.
Sie können zweifeln. Allmacht, AllgĂĽte, Allwissen bezweifeln. Andere (die ursprĂĽnglicheren) Götter verehren, die Existenz Gottes logisch widerlegen, SelbstwidersprĂĽche aufzeigen. Nach Mitteln und Wegen suchen, die Unerforschlichkeit Gottes – doch zu beobachten – Naturwissenschaftler und Philosophen wie Descartes, Galilei und Kant.
Schließlich, dank Kant, Nietzsche, moderner Wissenschaft war man, war zumindest der Mainstream, Gott und damit göttliche Allmacht los.
Ein sinnloses Leben wäre nicht weniger traumatisch
Einst unerklärlich göttliche Mächte wie Himmel und Erde, Tag und Nacht, Lust und Unlust, Harmonie und Panik sind heute präzise messbar und erklärbar.
Um den Preis, von allen Göttern verlassen zu sein. Oder genauer: Sich von allen Göttern verlassen zu fĂĽhlen. Und so in die Welt geworfen ein sinnloses, mehr oder weniger einsames – isoliertes und zudem tragisch kurzes und schon deshalb sinnloses Leben hinter sich bringen zu mĂĽssen.
Das BedĂĽrfnis aber nach Sinn, nach sinnvollem Leben, einem irgendwie sinnvollen Ganzen, das auch erlebbar ist, bleibt. Bleibt unerfĂĽllt, doch es bleibt, rumort, sucht sich seltsamste Wege. Suchend nach einem Ausweg, denn Menschen sind – ob sie wollen oder nicht – sinn – Wesen. Der RĂĽckweg zu allmächtigen Göttern ist versperrt, die Gesellschaft ist mit sich beschäftigt, damit sich am Laufen zu halten, sinnloses Immer weiter, im Rad laufen, so beschreiben es viele.
Die Natur, lange fĂĽr viele ein Zufluchtsort, ist selbst bedroht, existentiell bedroht, sie muss ihre eigenen Wege und Mittel finden, sich gegen (uns Menschen) zu wehren. Sinn liefert sie uns Menschen nicht. Welcher sollte das sein?
Und schlieĂźlich der einzelne Mensch, ganz auf sich allein und seinen Körper, seine BedĂĽrfnisse, LĂĽste und UnlĂĽste gestellt – ja kann man machen, aber wozu? 80 Jahre, dann ist der SpaĂź oder das Irgendwie eben leben vorbei. Der Weg zurĂĽck zu allmächtigen Göttern – nach diesem Leben ? Er ist versperrt. Und das ist gut so.
Eingesperrt zwischen göttlicher Allmacht und sinnlosem Leben
Die Zweifler also sind mit ihren Zweifeln vom Regen in die Traufe gekommen. Was euphemistisch klingt, denn sie sind in einem Dilemma eingesperrt. Dem Dilemma zwischen unerträglicher göttlicher, den Menschen zu einem bloßen Geschöpf herabwürdigender, Allmacht und dem ebenso unerträglichen Gefühl, von allen Göttern verlassen, sein sinnloses Leben hinter sich bringen zu sollen. Ein Meta-Trauma sozusagen.
Und das nicht nur individuell, sondern auch kollektiv und wie wir nun wissen, sogar die Natur betreffend. Kein Ort, nirgends schenkt noch Sinn. Ein gordischer Knoten, der nicht zerschlagen werden kann, da er nicht ein Knoten vor mir liegend ist, sondern mich selbst, sondern das Ganze betrifft. Kein Ausweg. Panik. Massenpanik. Ende. Kein Ausweg vom Ende. Oder doch?
Mensch erinnere dich
OK, wir brauchen heute keine übermächtigen Götter, allmächtige schon mal gar nicht.
Sinn aber, eine sinnvolle Welt, Sinn in unserem Leben brauchen wir, um ĂĽberhaupt leben zu können. Zu wollen. Ohne leben zu wollen, hören wir – frĂĽher oder später und im Zweifelsfall frĂĽher damit auf. Setzen unserem Leben ein Ende, warten darauf, dass es endlich zu Ende geht oder riskieren, dass es demnächst zu Ende gehen könnte. Es ist ja egal, was wir tun.
Was tun, wenn es niemanden (und nichts) gibt, das uns mit Sinn versorgt, das uns Sinn gibt?
Aufhören – hm, eine Lösung ist Aufhören nicht. Nicht fĂĽr immer, nicht fĂĽr jeden.
Fangen wir also bei uns selbst an. Oder anders: Nehmen wir die Projektionen zurück! So, dass wir uns unsere existentiellen, unsere sozusagen göttlichen, Bedürfnisse selbst erfüllen können.
Vermutlich entdecken wir recht schnell, dass wir nicht alles selbst machen mĂĽssen. Dass wir nicht mutterseelenallein auf uns selbst gestellt sind. Nur indem was uns allein selbst betrifft – was nur wir selbst entscheiden können – da schon. Und so wollen wir´s auch. Bin ich mir ziemlich sicher. Mir jedenfalls geht es so.
Schauen wir uns an, was wir brauchen um leben zu wollen, was wir meinen, wenn wir von Sinn sprechen.
Vielleicht, wenn wir genau, und immer genauer hinschauen, fühlen auch usw, entdecken wir ja das, was wir immer mit Göttern meinten?
Bildquellen:
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Sehr frei aus dem Gedächtnis nach C.G. Jung
‚Wieso braucht es den Menschen in dieser wunderbaren und unendlich reichen Schöpfung Natur/Kosmos? Damit es ein Wesen gibt, dass diese Schöpfung überhaupt als solche wahrnimmt und ihre Schönheit sehen kann.
Er hat nicht genau diese Worte gebraucht, aber so sind sie mir im Herzen geblieben. Und fĂĽr mich war es eine grosse Erleuchtung und Erleichterung was Lebenssinn betrifft. Seither muss ich weder Grosses erreichen noch nach Reichtum streben. 2 bis 3 Mal pro Tag 20 Min. meditieren, den Moment wahrnehmen ĂĽben. Und dann die Dinge verrichten, die zu verrichten sind. Und dabei wahrnehmen. Kleine WĂĽnsche haben und sich diese erfĂĽllen ist erlaubt, als Antrieb.