Götter sind die paradigmatischen Schöpfer, sie erschaffen sich selbst. Wir dagegen, die Menschen, sind Geschöpfe, Geschöpfe Gottes. Wir sind wie wir gemacht wurden und können daran nichts ändern. Nur dass wir auch dies schon lange nicht mehr und wenn dann immer weniger glauben.
Sind es nicht gerade wir Menschen, die selber zu denken gelernt haben? Sind wir nicht längst dabei, uns selbst nach unserem eigenen Bilde zu verändern? Als Gesellschaft aber auch einzelne konkrete Menschen. Die Freiheitsgrade, sein Leben und damit sich selbst zu gestalten, sind zumindest in einigen Ländern der Erde enorm gewachsen in den letzten Jahrzehnten.
Aber Schöpfer? Können wir uns selbst als Schöpfer unserer selbst vorstellen? Schöpfer so wie wir uns Götter als Schöpfer vorstellen?
Alles Leben erschafft und erhält sich selbst
Auch hier kommt uns die moderne Wissenschaft (seit ca. 100 Jahren) zur Hilfe. Zunächst Mathematiker wie Whitehead, welche entdeckten, dass die Welt nicht aus Teilchen, also kleinen, kleinsten Dingen (Gegenständen), besteht, sondern aus Ereignissen (Prozessen, Operationen, Tun).
Weiter – in großen Schritten – ging es dann mit dem Biologen Umberto Maturana, der in den 80er Jahren die Autopoiesis als Grundtatsache allen Lebens entdeckte.
Autopoiesis ist wichtig, weil dieses Konzept erklären kann, wie sich all diese Ereignisse (von Whitehead) Formen und Strukturen bilden können. Nämlich indem sie Systeme bilden, die wiederum ihre eigenen Spielregeln ausbilden, um sich zu stabilisieren. Der berühmte Überlebenstrieb / Selbsterhaltungstrieb wird, wurde zumindest mir mit Maturana verständlich.
Und schließlich, dabei will ich erstmal stoppen, und genauer hinein gehen, kam Luhmann, der Maturanas Entdeckung aufnahm und – über biologisches Leben hinaus auch auf Bewusstsein und Gesellschaft anwendete.
Die Entdeckung der Autopoiesis
Autopoiesis als Grundtatsache allen Lebens – was ist damit gemeint.? Autopoiesis ist ein dem griechischen entlehnter Begriff (von Maturana) – selbst und erzeugen – beschreibt also den Mechanismus der Selbst-erzeugung und daraus folgend des Selbst-erhaltens. Umgangssprachlich vielleicht: des Überlebenstrieb, Überlebensmechanismen.
Sie läuft, könnte man vielleicht sagen und sagen auch einige, blind. Und das schon immer, auch wenn diese Tatsache erst im vorigen Jahrhundert (von Whitehead, dann Maturana) entdeckt und (ausweitend auf Gesellschaft und Bewusstsein von Luhmann & Co) beschrieben wurde. Armin Nassehi und Dirk Baecker heute im deutschsprachigen Raum.
Autopoiesis als allgegenwärtig wirkende Überlebenstriebe – an sich eine triviale, allgemein bekannte Tatsache. Faszinierend daran aber – wenigstens für mich – ist: Wir brauchen als Erklärungsprinzip, was die Welt im innersten zusammen hält, keine zentrale göttliche Instanz mehr. Der wir dann solche utopischen oder besser dystopischen Fähigkeiten wie allmächtig, allgütig, allwissend zu schreiben müssten, damit so eine Zentrale Person / Instanz die alles im Blick hat, überhaupt denkbar ist.
Denkbar wird mit Hilfe der Autopoiesis statt dessen, dass all diese Prozesse einander beeinflussen, zusammenspielen und Muster erzeugen. Muster, die sich der Kontrolle jedes der einzeln ablaufenden Prozesse entziehen. Es sind ja Muster, die sich zwischen ihnen einspielen, verfestigen, auflösen, ständig sich anpassend, sich selbst korrigierend. Quasi allmächtig anpassungsfähig. Die Autopoiesis selbst, sagt Luhmann, ist außerordentlich robust. Sie ist nicht davon abhängig, in ganz bestimmten, festgelegten Formen abzulaufen.
Autopoiesis pur wäre blind
Aber Achtung, dass keine Missverständnisse aufkommen, keine falschen Wunschvorstellungen:
Autopoiesis besagt, dass lebendige Prozesse sich nur selbst erschaffen und erhalten können. Sprich: Am Tropf hängend, ferngesteuert, außen gesteuert funktioniert Leben nicht. Höchstens für eine kurze Zeit, als Krücke, bis es wieder von selbst in Gang kommt.
Autopoiesis besagt nicht, dass alle lebendigen Prozesse unendlich laufen, dass sie nie enden.
Im Gegenteil: Wenn alles und jeder nur mit sich selbst beschäftigt wäre, blind für jegliche Folgen, wäre gegenseitige Zerstörung von blind autopoietischen Prozessen unvermeidlich.
Doch so pur läuft es nicht, denn die Autopoiesis ist eine höchst anpassungsfähiger Mechanismus. Ihre Erfolgswahrscheinlichkeit steigt in dem Maße, in dem sie die Folgen ihres Tuns (auf sich selbst und anderes) in ihre automatischen Prozesse einbauen. Sie lernen sozusagen. Sie können sich anpassen an das was es außer ihnen selbst noch so gibt. Soweit es sie selbst betrifft.
Autopoiesis für sich genommen, ist also und sowieso noch keine Antwort auf die Frage, wie wir uns Götter sinnvoll vorstellen können.
Immerhin aber scheint Autopoiesis eine Tatsache zu sein, auf die wir uns verlassen können. Quasi göttlich allem was wir tun können, wollen, müssen usw. vorausgesetzt. Bildlich formuliert: Ein Geschenk der Götter. Aus dem wir etwas machen können.
Bildquellen:
© Par E. A. Wallis Budge (1857-1937) — The Gods of the Egyptians Vol. II, colour plate facing page 96, Domaine public, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11976865
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Autopoiesis – könnte sie so aussehen?
https://youtu.be/0Uy68vWn7Ew
Ich hatte ein Erlebnis bei einer OSHO Meditation. Konzentration auf den kleinstmöglichen Punkt. Nach einer Tunnelfahrt öffnete sich mir plötzlich ein Kaleidoskop. Strukturen über Strukturen, immerwährend aus einem Zentrum fliessend.