Mit den Göttern ist das so eine Sache. Einsam herrschende Götter, wie die Götter der Juden, Christen oder Moslems eingeschlossen.
Einstmals ohne jeden Zweifel und auch heute entgegen diverser Zweifel schienen sie Weltall, Erde, Mensch, Getier und Pflanzen lenkend im Blick zu haben. Mächtige, als Alleinherrscher dann allmächtige, Beobachter, welche die Regeln allen Lebens setzten und bestimmten.
Heute werden Götter bezweifelt, sie glauben zu müssen ist für viele Menschen eine beleidigende Zumutung. Fast alles, was einst Göttern zugeschrieben wurde, ist heute wissenschaftlich erklärbar.
Nur ist uns der Sinn des Ganzen abhanden gekommen.
An der Stelle stoppe, unterbreche ich mich. „Sinn des Ganzen“ klingt so leicht, ja flapsig, dahin gesagt. Treffender an der Stelle ist vielleicht: Ein Gefühl für das Ganze: Wie alles mit allem zusammen spielt und, deshalb Gefühl, wie ich in diesem Zusammenspiel handeln kann und will.
Wie ich dazu kam, Götter beobachten zu wollen
Ich gehöre weder zu den Gläubigen noch zu den Zweiflern, sprich weder zu den Gottesgläubigen noch zu den Wissenschaftsgläubigen.
Ich glaube nicht an Götter
Gottesgläubig bin ich nie gewesen und nie geworden. Ich glaube nicht an Götter.
An Götter glauben zu sollen, fand ich schon als Kind eine Zumutung. So einfach, dass es einen Gott geben soll, der alles im Blick hat und auch mich aufpasst, kann es nicht sein. Den würde ich ja sehen oder hören oder sonstwie bemerken und wenn nicht ich, dann irgendjemand anders.
Auch noch als Kind habe ich begonnen, mich mit den griechischen Göttern zu befassen. Die fand ich toll, vor allem wohl, dass es so viele waren und dass es interessante Geschichten um Götter und deren Helden gab. Vor allem das Prometheus Gedicht von Goethe hat mein Götterverständnis geprägt. So meine Erinnerung. Zumindest ist es das Lieblingsgedicht, auch heute noch, meiner Mutter.
Ich glaube in nicht an Wissenschaft
Wissenschaftsgläubig – ja, das war ich schon. In der Schule, im Studium auf jeden Fall. Real ist nur, was sich messen lässt. Oder umgekehrt: Was sich nicht messen und unter Laborbedingungen beweisen lässt, das gibt es nicht. Punkt. Was es mit den Laborbedingungen auf sich hat – solche Fragen stellte ich mir erst später.
Und sobald man das tut, kann man leicht leichter verstehen, so auch ich, dass sich mit einer wissenschaftlichen Untersuchung immer nur ganz bestimmte Phänomene analysieren und manchmal auch simulieren lassen.
Bei Göttern aber geht es um das Ganze, sprich um das Zusammenspiel von allem mit allem – bis hin zu der Stelle, an der ICH mich und das möglichst gerade jetzt, einklinken kann.
So klar hatte ich es damals noch nicht, was das denn ist, was es mit Göttern überhaupt auf sich hat. Aber unbeirrt auch schon damals blieb ich „meinen“ Griechengöttern treu. Schule, Studium, Doktorarbeit – immer wieder die griechischen Götter. Geplant hatte ich das nicht.
Vermutlich war es so, dass ich von Kindheit her noch von Göttern und Helden, besonders von Götterpantheonen und Sokrates fasziniert war. Angesteckt durch Dichter und Denker wie Goethe, Heine, später Platon und eben, immer wieder: Sokrates.
Und ich fragte mich vermutlich, sonst wäre ich diesen Spuren nicht so lange gefolgt, was an Göttern und Göttergeschichten so faszinierend für Menschen sein könnte.
Vielleicht können ja nicht nur wir Menschen, sondern auch Götter lernen? Vielleicht wollen Götter ja nicht mehr unerforschlich und allmächtig sein? Oder waren es gar nie? Sondern ganz normal anwesend, gegenwärtig und beobachtbar?
Götter beobachten und für andere beobachtbar machen
Ich gehöre zu den Wissenschaftlern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Götter oder das was man einst Göttern zuschrieb, beobachtbar zu machen, beobachten zu lernen.
Dass ich die eine Antwort auf die Frage gefunden hätte, was Menschen an Göttern so fasziniert, erinnere ich nicht. Dafür entdeckte ich nach und nach, wie groß und interessant und auch wie übersichtlich eine Welt werden kann, wenn ich mich zum Beispiel mit Prometheus identifiziere. Oder mit Herakles oder mit Athene, Dionysos. Und dass die griechischen Inseln, Bergeshöhn und Wälder für mich, Aphrodite oder für mich, Zeus oder gar für mich, Helios, sich jeweils ganz anders anfühlten. Anders aussahen, eine andere Stimmung.
Und vor allem die Menschen, Menschen aus der Perspektive von diesen Göttern beobachten können, so nach und nach konnte ich mir vorstellen, warum die Menschen in diesen Welten sich so klein und den Göttern ausgeliefert fühlten. Und dass ich, vor allem, wenn ich mich mit Prometheus identifizierte, die Menschen vor den Göttern zu schützen versuchte. Spielerisch, Szenarien durchspielend.
Anders erlebte ich die Menschen, wenn ich mich zum Beispiel mit Hermes identifizierte. Sie schienen mir dann einfach dumm und blind und uneinsichtig, seltsame Wesen, die offenbar keine Lust zum Leben haben.
Solchen Spuren folgte ich, nicht Tag für Tag, aber immer wieder viele Jahre lang.
Spirituelle Erfahrung
Bis ich, da schrieb ich gerade an meiner Doktorarbeit, in der es auch um griechische Götter ging, einen luziden Traum hatte. Nicht nur, dass ich mich in diesem Traum inmitten der griechischen Götter wiederfand und sie auch deutlich erkennen konnte. Sie waren nicht größer als ich und sie kannten mich sogar.
Und als würden sie meine Doktorarbeit kennen, schon klar, dass sie diese ja kannten, bedankten sie sich bei mir, sie fühlten sich verstanden. Was sie sich von mir nun noch wünschten, wäre, dass ich auch aufschreibe, wie es nun weiter geht. Denn das wüsste ich ja. Und dann führten sie mich zu einem weiß leuchtenden Lichtstrudel, mit dem ich die Szene und den Traum verließ.
Es war meine erste Erfahrung dieser Art, eine wie ich dann später lernte: Spirituelle Erfahrung.
Aber schon jetzt, schon mit dieser ersten spirituellen oder wie manche sagen religiösen Erfahrung stand ich vor dem Problem – hey – wie kann ich das sagen, wie darüber mit anderen reden? Dass sie mich nicht für meschugge halten? Aber erzählen muss ich davon, sonst glaube ich mir selbst nicht. Und wenn ich mir selbst nicht glaube, kann ich einpacken, dann bin ich nichts als Spielball von irgendwelchen unerforschlichen Mächten, Stichwort Verschwörungstheorien.
Also erzählte ich meinen Profs von dem Traum. Zu meiner Überraschung, Freude und großen Ermutigung waren sie angetan bis begeistert.
Wow und so kam es, dass ich es wagte, das war kurz vor der Wende, meiner eigenen Spur zu folgen.
Der Gott, der Du bist, in dein sicherster Führer
Das nächste Ereignis dieser Art, während der Wende, war dann kein Traum, sondern passierte mitten am Tag. Während ich, wie in dieser Zeit damals jeden Tag einige Stunden, Zeitungen las. Ich im Modus der Totalverweigerung. Weder vor noch zurück, nein, nein, nein, weder noch, nicht einen Schritt. Ich spiele diese Spielchen nicht mit.
Und dann hörte ich eine Frauenstimme, unbekannt doch sogleich vertrauter als jede andere Stimme zuvor. Sie war ganz nah, sie kannte mich offenbar sehr gut und sprach freundlich und sanft aber klar und bestimmt mit mir. Und zeigte mir, wie ich gucken muss, um einen Ausweg zu finden.
Sie blieb mehrere Wochen und dieses Mal war mir klar, dass ich niemandem davon erzählen konnte. Auch nicht wollte. Ich konnte ja mit ihr darüber sprechen.
Und als sie mich zu verlassen begann, zeigte sie mir, Schritt für Schritt, wie es ihre Art war, dass es doch Mittel und Wege gibt, mit anderen Menschen zu sprechen. Und dass es manch anderem, ja vielen, ja jedem, wenn ich nur sorgsam hinsehe, genauso geht wie mir oder mir mit ihr, also uns.
Mehr oder weniger vielleicht und ganz anders in Farben und Details, aber diese Stimmung, diese Gestimmtheit, dieses Gefühl: Die Welt gehört mir. Ich kann alles erreichen was ich will. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
Der Gott, der Du bist, in dein sicherster Führer. Dieses herrlich göttliche Gefühl, durchzublicken, mit sich und der Welt einig und eben deshalb unbesiegbar zu sein, das kennt jeder Mensch. Aber – so wie ja auch ich – versteckt es, behält es für sich.
Ok, das war offenbar die Kurzfassung von 20 Jahren etwa, zusammen gedampft in einem aufmunterndem Gesprächs mit meinem, wie Sokrates diese Erfahrung nannte, Daimonion.
Gott-Phase, Teufel-Phase und Götter-Phase
Die Langfassung Schritt für Schritt zu berichten, ich lasse es einfach, damit auch nur anfangen zu wollen. Ich nenne besser nur meine drei, Götter betreffend, wichtigsten Einsichten dieser Jahre, der Reihenfolge nach:
- 1. Die Gott-Phase. Wow – ich bin (dieser eine) Gott. Alternativ: Ich bin göttlich. Ich bin auserwählt.
- 2. Die Teufel-Phase. Du doch nicht! Der Zweifler sitzt auf dem Thron, sobald so ein Gott sich zu erklären sucht. Was er wohl tun muss, der Gott. Das soziale Echo ruft: Du doch nicht. Alternativ: Du doch nicht, sondern Ich! Er hört das Echo, selbst wenn es keiner sagt, er sendet es aus. Ständig. Gefragt wie ungefragt.
- 3. Die Götter-Phase. Jeder Mensch ist göttlich. Oder noch deutlicher: Jeder Mensch ist dieser eine Gott. Auch Ich. Einen Unterschied macht sicher, vielleicht, was ein Mensch mit dieser Tatsache anfängt, aber das zu beurteilen ist nicht meine Aufgabe. Ich muss und kann nur bei mir anfangen. Was will ich mit dieser Tatsache anfangen.
Und daraus schließe ich nun: Ok, logisch ist „Jeder Mensch ist göttlich“ die einzige Möglichkeit, mit dem Götter-Problem umzugehen. Aber was heißt das nun praktisch? Was tun? Und was folgt daraus für mich? Ich muss das beobachten können und für andere beobachtbar machen.
Ich begann also nach den Riesen zu suchen, wie Wissenschaftler das so machen, auf deren Schultern ich als Zwerg am besten Götter beobachten lerne.
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